Audiologie

Wie sich akustische Auswirkungen des Mund-Nasen-Schutzes in der Implantatanpassung abmildern lassen

Mitigating the Acoustic Impact of Face Masks With Hearing Implant Mapping Can Help Listeners With Hearing Devices to Better Understand Speech

Vor nicht allzu langer Zeit kannten die meisten Menschen medizinische Gesichtsmasken wohl lediglich von Krankenhausaufenthalten. Mit der SARS-CoV-2 Pandemie hat sich das grundlegend geändert. Der Mund-Nasen-Schutz wurde Teil unseres Alltags und unserer „Grundausstattung“ beim Verlassen der Wohnung: nicht ohne meinen Schlüsselbund, meinen Geldbeutel, mein Handy und meinen Mund-Nasen-Schutz.

Ob im medizinischen Bereich, im Supermarkt oder beim Friseur: Milliarden Menschen haben während eines Gutteils ihrer täglichen Interaktion mit anderen einen Mundschutz getragen. Und dabei bemerkt, dass die Maske das Kommunizieren durchaus erschweren kann. Wenig überraschend trifft diese Problematik Menschen mit Hörverlust in erhöhtem Maße. Für manche Menschen mit Hörverlust mag die Maskenpflicht ein Anstoß gewesen sein, sich in Behandlung zu begeben. Die meisten Betroffenen – auch jene mit Hörgerät oder Hörimplantat – haben negative Auswirkungen des Maskentragens auf ihre Kommunikation festgestellt.

Zwei Hauptursachen

„In meiner Ordination berichten Patienten täglich, dass ihnen die Masken das Kommunizieren deutlich erschweren. Nicht nur, dass sie die Gesichter ihrer Gegenüber nicht zur Gänze sehen können, sie nehmen außerdem die Stimmen nur gedämpft wahr – sogar in vermeintlich idealen Hörumgebungen“, erzählt Cache Pitt, Audiologe und Associate Professor an der Utah State University. Pitt benennt damit exakt die beiden Hauptursachen für das durch den Mund-Nasen-Schutz verursachte schlechtere Sprachverständnis: fehlende Mimik bzw. keine Sicht auf die Lippen einerseits und der veränderte Stimmklang andererseits.

Wie Masken den Klang der Sprache verändern

Masken schwächen beim Sprechen vor allem die hohen Frequenzen (2000-7000 Hz) ab. Der Dämpfungsgrad reicht dabei von 3 bis 12 dB, abhängig von der Art der Maske und der Dicke des Maskengewebes.[1] Dickere FFP2/N95/KN95 Masken dämpfen die Stimme stärker ab als gewöhnliche chirurgische Masken bzw. ein Mund-Nasen-Schutz mit nur einer Stoffschicht.[1]

Die verminderte Lautstärke und Klarheit beeinträchtigen die Hörbarkeit sogenannter akustischer Hinweise und erschweren dadurch das Sprachverstehen. Im Zuge der Coronavirus-Pandemie veröffentlichte die australische Forschungseinrichtung National Acoustic Laboratories (NAL) Empfehlungen für ein „Maskenprogramm“. Dabei handelt es sich um konkrete Einstellungen für ein Hörprogramm in der audiologischen Anpassungssoftware, das Nutzern von Hörhilfen dabei unterstützen soll, die maskenbedingten Nachteile beim Hören besser ausgleichen zu können.[2]

„Maskenprogramm“ zur Unterstützung beim Hören

Eine Gruppe aus MED-EL Experten adaptierte diese Empfehlungen nun spezifisch für Nutzer von MED-EL Implantat-Systemen sowie des implantationsfreien Knochenleitungssystems ADHEAR. Das Ziel bestand darin, herauszufinden, ob ein solches „Maskenprogramm“ unsere Nutzer tatsächlich bei der täglichen Kommunikation mit Maskenträgern unterstützen könnte.

Die folgenden Ausführungen sind als Empfehlungen bzw. grober Rahmen zu verstehen. Es bedarf im individuellen Fall jedenfalls einer klinischen Beurteilung sowie eines Herantastens nach dem Prinzip „Versuch und Irrtum“, zumal sowohl Stimmen als auch Masken in ganz unterschiedlichen Ausprägungen zutage treten. Darüber hinaus kann es notwendig sein, den Patienten darüber aufzuklären, dass das neu eingestellte Maskenprogramm wirklich nur dafür gedacht ist, Menschen mit Gesichtsmaske besser zu verstehen. Tragen diese keine Maske, kann das Programm sogar den gegenteiligen Effekt haben und Stimmen verzerrt und unangenehm klingen lassen. Bitte beachten Sie, dass es sich um vorläufige Empfehlungen handelt, die nicht automatisch bei allen Nutzern zu einer Verbesserung des Sprachverständnisses führen.

Auswirkungen des Mund-Nasen-Schutzes abmildern

Die folgende Tabelle zeigt die NAL Empfehlungen für die Anpassung der Verstärkung von Hörgeräten mit dem Ziel, die negativen akustischen Effekte von Gesichtsmasken auszugleichen.[2]

Abbildung 1: Anpassungen der Verstärkung von Hörgeräten (Quelle: NAL)

Abbildung 1: Anpassungen der Verstärkung von Hörgeräten (Quelle: NAL)

Um diese Anpassungen auf MED-EL Systeme (z. B. MED-EL Cochlea-Implantate) umzulegen, müssen zuerst die Einstellungen des vorhandenen Hörprogramms in das spezielle Maskenprogramm kopiert werden. Anschließend gehen Sie wie folgt vor:

  • Die Anpassungen der Einstellungen werden so gut wie möglich vorgenommen. Wie exakt sich diese umsetzen lassen, hängt von den Funktionen der verwendeten Fitting-Software bzw. des jeweiligen Audioprozessors ab.
  • Zu beachten ist, dass die Erhöhung der Lautstärke nicht zu einer unangenehm lauten Wahrnehmung mancher Geräusche führten soll.
  • Die stärkeren Einstellungen dürfen die Klangqualität nicht beeinträchtigen.
  • Aktivieren Sie im Maskenprogramm die Einstellungen zu Direktionalität und Störgeräusch-Unterdrückung. So wird bei Nutzung des Programms Hintergrundlärm abgemildert.
  • Wenden Sie bewährte Verfahren und audiologische Expertise an, wenn Sie die Einstellungen anpassen, um ein individuell zufriedenstellendes Resultat zu erzielen.

Um diese Anpassungen in der MAESTRO Software vorzunehmen, werden die folgenden Erhöhungen im Bereich der angenehmsten Lautheit (MCL) empfohlen. Diese dienen dazu, die verminderte Sprachakustik zu kompensieren.

Abbildung 2: Typisches Programm in der MAESTRO Software (Quelle: MED-EL)

Abbildung 3: Maskenprogramm in der MAESTRO Software (Quelle: MED-EL)

  • Wählen Sie die sechs Kanäle im basalen Bereich. Klicken Sie zweimal auf das Icon „kleine basale Erhöhung“.
  • Aktivieren Sie im Maskenprogramm die Einstellungen zu Direktionalität und Störgeräusch-Unterdrückung. So wird bei Nutzung des Programms Hintergrundlärm abgemildert.
  • Es kann sinnvoll sein, die Lautstärke zu erhöhen. Manche Nutzer könnten diese kleine Veränderung als unangenehm empfinden. Dies sollte sich durch weitere Feineinstellungen auf Basis der Rückmeldungen des Nutzers lösen lassen.

Wie bereits erwähnt, kann es notwendig sein, den Patienten darüber aufzuklären, dass das neu eingestellte Maskenprogramm wirklich nur dazu gedacht ist, Menschen mit Gesichtsmaske besser zu verstehen. Tragen diese keine Maske, kann das Programm sogar den gegenteiligen Effekt haben und Stimmen verzerrt und unangenehm klingen lassen. Aus diesem Grund wird empfohlen, das Ausgangsprogramm nicht zu ersetzen, sondern zusätzlich zu behalten.

Mögliche Variante eines Hörprogramms:

Option für ein Hörprogramm

Abbildung 4: Option für ein Hörprogramm (Quelle: MED-EL)

Für VIBRANT SOUNDBRIDGE und BONEBRIDGE

Für die VIBRANT SOUNDBRIDGE und die BONEBRIDGE lassen sich die NAL Empfehlungen eins zu eins anwenden. Wählen Sie den Frequenzgang-Reiter und erhöhen Sie die Lautstärke wie in Abbildung 1 (oben) beschrieben.

Universalprogramm

Abbildung 5: Typisches Hörprogramm (Quelle: MED-EL)

Maskenprogramm

Abbildung 6: Maskenprogramm (Quelle: MED-EL)

Aktivieren Sie im Maskenprogramm die Einstellungen zu Direktionalität und Störgeräusch-Unterdrückung (sofern für den jeweiligen Prozessor verfügbar). So wird bei Nutzung des Programms Hintergrundlärm abgemildert.

Universalprogramm

Abbildung 7: Typisches Hörprogramm (Quelle: MED-EL)

Maskenprogramm

Abbildung 8: Maskenprogramm (Quelle: MED-EL)

Für ADHEAR

Um die NAL Empfehlungen in der ADHEAR Konfigurationssoftware umzusetzen, folgen Sie bitte diesen Anweisungen:

Stellen Sie zunächst die Initiale VC auf 0 dB und wählen Sie im Basis-Reiter als Eingangsmodus „Direktional“ aus.

Standardeinstellungen

Abbildung 9: Standard-Einstellungen für ADHEAR (Quelle: MED-EL)

Maskenprogramm für ADHEAR

Abbildung 10: Maskenprogramm für ADHEAR (Quelle: MED-EL)

Wählen Sie zusätzlich im Equalizer-Reiter die folgenden Einstellungen aus (s. Abbildung 13).

Abbildung 11: Standard-Einstellungen für ADHEAR

Abbildung 11: Standard-Einstellungen für ADHEAR (Quelle: MED-EL)

Maskenprogramm für ADHEAR

Abbildung 12: Maskenprogramm für ADHEAR (Quelle: MED-EL)

Abbildung 13: Equalizer-Einstellungen für ADHEAR

Abbildung 13: Equalizer-Einstellungen für ADHEAR (Quelle: MED-EL)

Erste Eindrücke aus der Praxis

Einem Kind wurde in der Anpassungssoftware ein eigenes Maskenprogramm erstellt. Nach einigen Wochen berichtete das Kind, dass die Sprache mit dem neuen Hörprogramm immer noch etwas schwierig zu verstehen sei, wenn Masken getragen würden. Im Vergleich zum Standard-Programm sei die Sprache aber weniger gedämpft und leichter zu verstehen.

Laut einem Elternteil des Kindes hat es das neue Programm zu Beginn nur in der Schule verwendet, wo von allen Masken getragen wurden. Nach kurzer Zeit blieb das Maskenprogramm aber generell eingestellt und wurde sozusagen zum Standardprogramm. In Umgebungen, in denen ohne Masken gesprochen wurde, waren die Einstellungen zwar etwas zu laut – das änderte sich aber nach kurzer Zeit. Das Kind gewöhnte sich offenbar rasch an die neue Einstellung und entschied sich dazu, diese auch in ‚maskenfreien‘ Settings beizubehalten und das Hörprogramm nicht zu wechseln.

Vielversprechende Ergebnisse, noch keine Studien

Die COVID-19 Pandemie hat uns vor etliche Herausforderungen gestellt. Sie hat aber auch gezeigt, dass wir in vielen Bereichen in der Lage sind, diesen Herausforderungen mit innovativen Lösungsideen zu begegnen. Hörprogramme in Hörsystemen zu adaptieren, um Menschen mit Gesichtsmaske besser zu verstehen, mag als eine Kleinigkeit erscheinen. Erste Erfahrungen aus der Praxis zeigen jedoch das vielversprechende Potenzial, mit dieser relativ einfachen und raschen Maßnahme Menschen mit Hörverlust das Kommunizieren zu erleichtern.

Abschließend sei bekräftigt, dass sich die bisherigen Erfahrungen mit dem „Maskenprogramm“ auf Einzelfälle beziehen. Es gibt derzeit noch keine klinischen Studien dazu, wie sich die erwähnten und empfohlenen audiologischen Einstellungen auf das Sprachverständnis von MED-EL Nutzern auswirken. Die gezeigten Adaptierungen sind Vorschläge und keineswegs allgemeingültige Vorgaben. Eigenes audiologisches Ermessen sowie die Berücksichtigung von Faktoren wie Maskentyp oder Hörumgebung müssen einfließen, um ein bestmögliches individuelles Resultat zu erreichen.

Besonderer Dank geht an Cache Pitt von der Utah State University sowie an Fiona Kukiewicz, Darla Franz und das Produktmanagement bei MED-EL für die Mitarbeit an diesem Artikel!

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Quellenangaben

[1] Goldin, A., Weinstein, B., & Shiman, N. (2020). How do medical masks degrade speech perception. Hearing review27(5), 8-9. https://www.hearingreview.com/hearing-loss/health-wellness/how-do-medical-masks-degrade-speech-reception

[2] NAL Mask Adjustments to overcome the effect of face masks for hearing aid users. OECD, (2021). https://www.nal.gov.au/nal-mask-adjust/

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