Chirurgie

Endoskopische Ohrchirurgie: Rekonstruktion der Ossikelkette und Stapeschirurgie

Endoskopische Ohrchirurgie bietet Vorteile wie etwa ein erweitertes Sichtfeld beim Einsetzen passiver Mittelohrimplantate im Rahmen einer Rekonstruktion der Ossikelkette und in der Stapeschirurgie. Erfahren Sie anhand vier von Prof. Dr. Lukas Anschütz durchgeführter Implantationen, worin die Chancen und Herausforderungen endoskopischer Mittelohrchirurgie liegen.

Endoskopische Ohrchirurgie

Passive Mittelohrimplantate dienen als Prothesen in der Ossikelkette. Als neueste Ergänzung des Produktportfolios umfassen die passiven Mittelohrimplantate von MED-EL elf unterschiedliche Typen sowohl an Tympanoplastik-Partialprothesen und Tympanoplastik-Totalprothesen als auch an Stapesprothesen. Sämtliche Modelle bestehen aus langlebigem biokompatiblen Titan und ermöglichen MRT-Untersuchungen mit einer Feldstärke von 1,5, 3,0 und sogar 7,0 Tesla.

Bei der Entwicklung der passiven Mittelohrimplantate von MED-EL wurde größtes Augenmerk auf die chirurgische Handhabung, eine optimale Sicht während der OP und maximale Flexibilität gelegt. Die stufenlos längenverstellbaren Prothesen werden mit einem Sizer-Kit geliefert. Chirurg*innen können die Implantatlänge ohne zusätzliche Instrumente optimal anpassen.

In dieser Ausgabe von SurgeryONLINE widmet sich Prof. Dr. Lukas Anschütz, HNO-Chirurg am Inselspital Bern, einigen Grundlagen der endoskopischen Ohrchirurgie und deren Einsatz im Rahmen der Rekonstruktion der Ossikelkette und der Stapeschirurgie.

Passive Mittelohrimplantate

Vorteile endoskopischer Ohrchirurgie

Endoskopische chirurgische Verfahren bringen gegenüber Eingriffen unter einem herkömmlichen Mikroskop eine ganze Reihe von Vorteilen. Das Sichtfeld wird erweitert, zusätzlich vergrößert das Endoskop die feinen anatomischen Strukturen und ermöglicht dem Operateur, auch die nicht frei einsehbaren Areale zu erkennen, also „um die Ecke zu blicken“.

Darüber hinaus unterstützt diese Art der Chirurgie den Erhalt des Mastoids und des äußeren Gehörgangs. Bei einer Leistung von 30-50 % leuchtet die Lampe des Endoskops das Mittelohr ausreichend aus, ohne zu viel Wärme zu entwickeln.

Herausforderungen endoskopischer Ohrchirurgie

Minimalinvasive Eingriffe bedeuten im Allgemeinen Arbeiten auf engstem Raum. In der Ohrchirurgie lassen sich solche Operationen nur einhändig ausführen, was einige Übung erfordert. Für Rechtshänder empfehlen sich zu Beginn Operationen an der linken Seite, für Linkshänder an der rechten.

Der kleine Arbeitsbereich limitiert zudem die Absaugung zur Blutungskontrolle. Ein 3-mm-Endoskop nimmt im Gehörgang derart viel Raum ein, dass die bei einer etwaigen Pathologie des Mastoids notwendige Flexibilität nicht mehr gewährleistet ist. In solch einem Fall bedarf es eines kombinierten Zugangs.

mXACT Partialprothese

Endoskopische Ohrchirurgie: 4 Fallstudien

Prof. Anschütz präsentiert vier Fälle, in denen die mXACT Partialprothese, die mCLIP ARC Partialprothese und die mAXIS Stapesprothese zum Einsatz kommen.

Fallstudie 1: Endoskopische Ohrchirurgie bei Cholesteatom

  • 38-jährige Patientin
  • Wiederkehrende Otorrhö
  • Schallleitungshörverlust rechtsseitig

Die Patientin kam mit Verdacht auf ein Cholesteatom zu Prof. Anschütz. Im CT erwies sich das Cholesteatom als klein genug für eine endoskopische Operation.

Anschütz nutzte diverse Techniken zur Hämostase: Injektionen mit Adrenalin und Lidocain ebenso wie monopolare Kauterisation mit minimaler Intensität (zur Vermeidung einer Schädigung des Gesichtsnervs) sowie in Adrenalin getränkte Neuro Patties.

Nach dem Anheben des tympanomeatalen Lappens trennt Anschütz das Cholesteatom vom restlichen Lappen. Um Platz für die weitere Dissektion des Cholesteatoms zu haben, zieht er den Lappen anterior und inferior. Anschließend entfernt er unter Wasser mit einem piezoelektrischen Gerät etwas Knochen. Der Vorteil dieses Geräts besteht darin, dass es weiches Gewebe nicht durchschneidet.

Danach durchtrennt er die Articulatio incudostapedia mit einem Rundmesser, entfernt Incus und Hammerkopf, um anschließend das Cholesteatom weiter zu dissezieren. Mithilfe des 45-Grad-Endoskops ist Anschütz in der Lage, das Antrum einzusehen, ein weiteres kleines Stück des Cholesteatoms zu entdecken und abzusaugen. Narrow Band Imaging (NBI) dient zur Kontrolle, ob irgendwo Cholesteatom-Matrix übersehen wurde.

Mit dem Endoskop sieht der Operateur, dass das Epitympanon nach vorne (tensor fold) komplett verschlossen ist, was ursächlich für das Cholesteatom sein könnte. Er öffnet den tensor fold, um die Ventilation während des Heilungsprozesses zu verbessern, platziert die mCLIP ARC Partialprothese auf dem Stapes und deckt deren Kopfplatte mit Knorpelgewebe ab.

Fallstudie 2: Endoskopische Ohrchirurgie bei fortgeschrittenem Cholesteatom

  • 72-jähriger Patient
  • Wiederkehrende Otorrhö rechtsseitig
  • Bilateraler Hörverlust

Dieser Fallbericht ähnelt dem vorhergehenden in weiten Teilen, allerdings ist das Cholesteatom deutlich fortgeschrittener bzw. größer. Die Verfahren zur Reduktion der Blutung, die Entfernung von Knochen, die Dissektion des incudostapedialen Gelenks sowie die Entfernung von Incus und Ambosskopf erfolgen analog zu Fallbericht eins.

Dr. Anschütz trennt aus Sicherheitsgründen auch die Chorda tympani ab, zumal sie innerhalb des Cholesteatoms verläuft. Er empfiehlt einen Thomassin Dissektor, um das Cholesteatom, das zum Teil auch das Mastoid befallen hat, gänzlich zu entfernen. Mittels 45-Grad-Endoskop und NBI erfolgt eine abschließende Kontrolle auf etwaige weitere Cholesteatomreste.

Die Art der Platzierung des mCLIP ARC Implantats unterscheidet sich von Fall eins: Anschütz setzt die Prothese mittels Sauger auf den Stapes und drückt sie dann vorsichtig nach unten. Ganz zum Schluss wird der äußere Gehörgang mit Seide bedeckt, die kaum anhaftet und sich später schmerzlos entfernen lässt.

Fallstudie 3: Endoskopische Ohrchirurgie bei wiederkehrender Otorrhö

  • 68-jähriger Patient
  • 2015 durchgeführte Tympanoplastik mit Incus-Interposition linksseitig
  • Wiederkehrende Otorrhö im vergangenen Jahr
  • Granulationsgewebe am Neotympanum linksseitig

Obwohl der Patient zufrieden mit den Ergebnissen der ersten Operation 2015 war, wurde ein erneuter Eingriff notwendig, da sich die Antibiotikagabe gegenüber der wiederkehrenden Otorrhö als wirkungslos erwies. Das präoperative CT-Bild zeigt, dass Mittelohr und Mastoid voll von Granulationsgewebe sind.

Die meisten Chirurgen würden sich hier wohl für eine Mastoidektomie entscheiden, Prof. Anschütz tritt den Beweis an, dass sich – bei ausreichender chirurgischer Erfahrung – selbst unter solchen Voraussetzungen ein minimalinvasiver, endoskopischer Eingriff durchführen lässt. Was die Sache nicht einfacher macht: Das Ohr ist stark entzündet und enthält Narbengewebe, das von der früheren Operation herrührt.

Prof. Anschütz entfernt die Incus-Interposition und das Granulationsgewebe vom Stapes. Danach setzt er die mXACT Partialprothese auf den Stapes, platziert Knorpel auf der Kopfplatte und schließt den tympanomeatalen Lappen.

Fallstudie 4: Endoskopische Stapeschirurgie bei Otosklerose

  • 45-jährige Patientin
  • Fortschreitender Hörverlust seit 25 Jahren
  • Hörgeräte beidseitig seit der Geburt des zweiten Kindes

Bei dieser Patientin liegt eine Otosklerose des Stapes vor. Wenngleich ein CT-Scan bei dieser Pathologie nicht das typische Verfahren zur Diagnosestellung ist, so kann er dennoch wichtige Hinweise auf eine Verknöcherung liefern.

Vor der Präparation des tympanomeatalen Lappens kommt auch bei dieser Operation Elektrokauterisation zum Einsatz. Der tympanomeatale Lappen ist kleiner als in den vorhergehenden Fällen, da weniger Knochen entfernt werden muss.

Zuerst prüft der Operateur die Mobilität der Gehörknöchelchen und verifiziert die Versteifung des Stapes. Dem Schnitt im Incudostapedial-Gelenk folgt die Durchtrennung von Stapediussehne und Crus posterius mittels Diodenlaser (ein Mikrobohrer oder eine Crura-Schere könnte dafür ebenfalls verwendet werden). Anschließend entfernt Anschütz das Crus anterius und die Suprastruktur des Stapes. Mit einem 0,6-mm-Diamantbohrer bohrt er ein Loch in die Fußplatte.

Um die korrekte Implantatlänge zu erheben, misst er als nächstes den Abstand von der Stapesfußplatte bis zur lateralen Seite des Incus. Mit einer Zange und einem Häkchen platziert er die mAXIS Stapesprothese und schließt sie um den langen Schenkel des Incus.

Mehr über chirurgische Verfahren und endoskopische Ohrchirurgie

Endoskope bringen Innovation in die Ohrchirurgie und liefern hervorragende Sicht bei Eingriffen, die minimalinvasiv erfolgen und so praktisch keine Narben hinterlassen. Die endoskopische Ossikuloplastik mit einer Titanprothese ist ein unkompliziertes Verfahren. Für Chirurg*innen ist es dennoch wichtig, ihre Lernkurve zu berücksichtigen und die ersten Fälle mit Bedacht auszuwählen. In komplexen Fällen kann ein kombinierter chirurgischer Ansatz gewählt werden.

Weitere Informationen finden Sie in dieser Meta-Analyse über den endoskopischen Ansatz in der Mittelohrchirurgie und in diesem Artikel über den Erhalt des Mastoids.

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