Audiologie

VIBRANT SOUNDBRIDGE Mittelohrimplantat: Die bessere Lösung bei kombiniertem Hörverlust?

Knochenleitungsimplantat oder aktives Mittelohrimplantat? Die Frage stellt sich in der klinischen Therapie von kombiniertem Hörverlust immer wieder, gibt es doch wesentliche Überschneidungen in den Indikationskriterien dieser beiden Implantat-Systeme. Klare Unterschiede zeigen sich dagegen in der Funktionsweise – und mitunter in den audiologischen Resultaten.

VSB Mittelohrimplantat

Dass die Wahl im Zweifel häufig auf Knochenleitungs(KL-)Systeme fällt, liegt bisweilen schlicht daran, dass diese wesentlich bekannter und verbreiteter sind. Die Auswahl an aktiven Knochenleitungsimplantaten unterschiedlicher Typen und Marken ist weit größer als jene an aktiven Mittelohrimplantaten: Dem umfassenden KL-Portfolio steht die VIBRANT SOUNDBRIDGE (VSB) als einziges für kombinierten Hörverlust zugelassenes aktives Mittelohrimplantat am Markt gegenüber.

Der „Rückgriff auf Bewährtes“ bzw. der vermeintliche Vorteil, mit einem einzigen Implantat-Typ sämtliche Fälle von kombiniertem Hörverlust abdecken und behandeln zu können, soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die VSB den KL-Implantaten in bestimmten Situationen überlegen sein kann, was Performance und audiologisches Outcome angeht.

Das gilt insbesondere für schwerwiegendere Fälle von kombiniertem Hörverlust. Welche Fälle das sind, warum die VSB hier die bessere Lösung als ein KL-Implantat ist und wie die Vorteile im Detail aussehen, wollen wir in diesem Beitrag beleuchten.

Was hat die VSB, was ein KL-Implantat nicht hat?

Ein aktives Mittelohrimplantat wie die VIBRANT SOUNDBRIDGE überträgt Vibrationen unmittelbar auf das Mittel- bzw. Innenohr. Der vibrierende Wandler wird nicht im Felsen- bzw. Schläfenbein verankert, wie dies bei KL-Implantaten der Fall ist, sondern direkt an einer der kleinen beweglichen Strukturen im Ohr befestigt. Die Vibrationen können viel kraftvoller und zielgerichteter appliziert werden als mit KL-Implantaten. Daraus ergibt sich ein großer Vorteil: Die seitenspezifische Stimulation ohne potenzielles Übersprechen auf die Gegenseite ermöglicht echtes binaurales Hören.

Bei präoperativen Knochenleitungsschwellen nahe dem normalen Hörbereich wirkt sich dieser konzeptuelle Unterschied der beiden Implantat-Designs kaum aus – bei höheren Schweregraden des Hörverlusts durchaus. Zwar sind auch KL-Implantate in der Lage, ausreichend Vibrationsleistung zu generieren – ab einer gewissen Stärke bringt diese theoretische Leistung aber de facto keinen Nutzen mehr: Die durch die starke Vibration des Knochens verursachte akustische Rückkopplung zu den Mikrofonen erfordert den Einsatz spezieller Algorithmen zur Unterdrückung ebendieser Rückkopplung. Dadurch wiederum wird die Inanspruchnahme des vollen Potenzials der Implantat-Leistung verhindert.

Besonders effizient ab Schwellen von 35 dB

Wo liegt nun diese Grenze, ab der die zielgerichtete, direkte Vibration des Mittelohrimplantats Effizienzvorteile und damit bessere Hörresultate bringt? Mojallal et al. haben genau das untersucht. Ihre retrospektive Analyse der Hauptkohorte (n = 48) zeigte, dass Personen mit VSB Implantaten bessere Hörresultate erzielten als Personen mit perkutanen KL-Implantaten, wenn präoperative Knochenleitungsschwellen (PTA4) schlechter als 35 dB HL vorlagen.Mojallal et al. (2015): Retrospective audiological analysis of bone conduction versus round window vibratory stimulation in patients with mixed hearing loss, International Journal of Audiology 54:6, 391-400, https://doi.org/10.3109/14992027.2014.986690.[1]

Bessere audiologische Resultate

Alle Personen in dieser Studie konnten bei Freifeld-Messungen die durchschnittliche Knochenleitungsschwelle zum überwiegenden Teil erreichen. Die VSB Nutzer*innen wiesen im versorgten Zustand bessere Innenohrschwellen als vor der Operation auf: Bei ihnen zeigt sich nicht nur ein „Closure Effect“ (Schließen des Air-Bone-Gaps), sondern ein „Overclosure Effect“ – zusätzlich zur Schallleitungsstörung wurde die Schallempfindungskomponente des kombinierten Hörverlusts in Teilen kompensiert.

VSB Mittelohrimplantat Audiogramm

Die beiden Diagramme zeigen, dass sämtliche Personen unversorgt sehr ähnliche Knochenleitungs- und Freifeldschwellen hatten. Im linken Diagramm zum perkutanen KL-Implantat (bone-anchored hearing aid, BAHA) zeigt sich der Closure Effect: Die Linie mit den grau gefüllten Kreisen (versorgte Freifeldschwellen) entspricht weitgehend jener mit den schwarzen Dreiecken (unversorgte Knochenleitungsschwellen). Im rechten Diagramm zur VIBRANT SOUNDBRIDGE ist der Overclosure Effect klar zu sehen: Die versorgten Freifeldschwellen sind deutlich besser als die unversorgten KL-Schwellen.

Analog zu den präoperativen Freifeldschwellen zeigten beide Gruppen unversorgt ähnliche Einsilber-Resultate (Word Recognition Score).Mojallal et al. (2015): Retrospective audiological analysis of bone conduction versus round window vibratory stimulation in patients with mixed hearing loss, International Journal of Audiology 54:6, 391-400, https://doi.org/10.3109/14992027.2014.986690.[1] Im versorgten Zustand waren die Ergebnisse, ermittelt bei 65 und 80 dB, allerdings signifikant unterschiedlich:

  • 82 % (bei 65 dB) und 93 % (bei 80 dB) mit der VIBRANT SOUNDBRIDGE
  • 56 % (bei 65 dB) und 82 % (bei 80 dB) mit dem perkutanen KL-Implantat
WRS VSB Mittelohrimplantat und BAHA

Eine weiterer spannender Befund der Studie: Aus dem Zusammenhang zwischen WRS und der Knochenleitungsschwelle lassen sich Schlüsse ziehen, bis zu welcher Schwelle eine Versorgung mit einem KL-Implantat noch sinnvoll ist. Nimmt man einen WRS von 75 % als Maßstab für gutes Sprachverstehen, so sieht man, dass für Knochenleitungsschwellen von 35 dB und schlechter nur die Versorgung mit einer VSB ausreichend gute Ergebnisse liefern kann.

WRS BAHA vs. VSB

Individuelle Einsilber-Resultate mit VSB (schwarze Punkte) bzw. BAHA (weiße Punkte) – entscheidend sind hier die Schnittpunkte der gestrichelten polynomialen Trendlinien (BAHA: links, VSB: rechts) mit der 75-%-WRS-Linie. Diese Schnittpunkte repräsentieren die präoperative KL-PTA4-Grenze für das jeweilige Hörsystem. Sogar mit einer unversorgten Knochenleitungsschwelle von bis zu 50 dB erreichten VSB-Nutzer*innen einen WRS von 75 % (gemessen bei 65 dB SPL). Diesen Wert erreichten in der BAHA-Gruppe nur Personen mit unversorgten Knochenleitungsschwellen von max. 34 dB.

Implikationen für aktive, transkutane KL-Implantate

Eine aktuelle Untersuchung von Arndt et al. lässt darauf schließen, dass sich die Resultate von Mojallal et al., die sich auf den Vergleich zwischen der VIBRANT SOUNDBRIDGE und perkutanen Knochenleitungsimplantaten beziehen, tendenziell auf transkutane aktive KL-Implantate umlegen lassen: So zeigen Arndt et al., dass das aktive, transkutane Osia® KL-Implantat ab einer KL-Schwelle von 40 dB (PTA4) an Performance-Limits stößt.Arndt et al. (2023): Vorhersage des postoperativen Sprachverstehens mit dem transkutanen teilimplantierbaren Knochenleitungshörsystem Osia ®, HNO 72, 537-546, https://doi.org/10.1007/s00106-023-01336-4 (englische Version: https://doi.org/10.1007/s00106-023-01337-3).[2]

Insgesamt wurden 29 Personen (sieben davon bilateral implantiert) in diese Studie miteingeschlossen. Patient*innen mit KL-Schwellen ≥ 40 dB lagen versorgt nur knapp über der CI-Indikation gemäß Deutscher CI-Richtlinie (WRS schlechter als 60 % bei 65 dB SPL und optimaler Versorgung):

„Die vorliegenden Ergebnisse zeigen eine Tendenz, dass insbesondere Patienten mit einer PTA4-KL ≥ 40 dB HL, welche somit einen limitierten Dynamikbereich von ≤ 30 dB aufweisen, ein Einsilberverstehen mit Osia® erreichen, welches sich nur wenig von dem maximalen Einsilberverstehen der aktuellen Cochleaimplantat(CI)-Indikation (…) unterscheidet.“Arndt et al. (2023): Vorhersage des postoperativen Sprachverstehens mit dem transkutanen teilimplantierbaren Knochenleitungshörsystem Osia ®, HNO 72, 537-546, https://doi.org/10.1007/s00106-023-01336-4 (englische Version: https://doi.org/10.1007/s00106-023-01337-3).[2]

Geringe Vorhersagbarkeit des Erfolgs ab 40 dB

Die Autor*innen gelangen zum Schluss, dass die zum Osia® ausgegebene Indikationsgrenzen von 55 dB HL (BC-PTA4) „sehr kritisch“ betrachtet werden sollten. Die Vorhersagemodelle hätten gezeigt, „dass die maximal mögliche durchschnittliche versorgbare Knochenleitungshörschwelle auf 45, eher 40 dB HL reduziert werden sollte, um ein ausreichendes Sprachverstehen zu erreichen und eine Toleranz bezüglich potenzieller Progredienz des Hörverlusts zu gewährleisten.“

Bei durchschnittlichen therapierbaren KL-Schwellen von höchstens 40 dB könne das Knochenleitungsimplantat mit hoher Vorhersagegenauigkeit des Versorgungserfolgs zur Behandlung von Schallleitungs- und kombinierter Schwerhörigkeit eingesetzt werden. Bei KL-Schwellen von ≥ 40 dB HL sei es wichtig, die Betroffenen „über eine schlechte Vorhersagbarkeit sowie das potenzielle Nichterreichen des präoperativen maximalen Einsilberverstehens“ aufzuklären.Arndt et al. (2023): Vorhersage des postoperativen Sprachverstehens mit dem transkutanen teilimplantierbaren Knochenleitungshörsystem Osia ®, HNO 72, 537-546, https://doi.org/10.1007/s00106-023-01336-4 (englische Version: https://doi.org/10.1007/s00106-023-01337-3).[2]

Aktives Mittelohrimplantat: Gezielte, seitenspezifische Stimulation für binaurales Hören

Abhängig von der transkraniellen Abschwächung und dem kontralateralen Hörverlust können KL-Implantate auf die Gegenseite übersprechen, was sich unter anderem auf das Richtungshören auswirkt. Im Gegensatz dazu ermöglicht die VSB durch seitenspezifische Stimulation binaurales Hören.

Agterberg et al. widmeten sich in ihrer Studie genau diesem Phänomen, indem sie die Lokalisationsfähigkeit von bilateralen KL-Implantat-Nutzer*innen mit jener von bilateralen VSB Nutzer*innen verglichen.Agterberg et al. (2024): The Merits of Bilateral Application of Middle Ear Implants in Patients With Bilateral Conductive and/or Mixed Hearing Loss, Trends in Hearing 28:1-10, https://doi.org/10.1177/23312165241264466.[3] Bei Geräuschpegeln von 45 dBA, 55 dBA und 65 dBA wurde ermittelt, wie exakt die teilnehmenden Personen erkennen konnten, woher ein Geräusch kam (-90° bis +90°).

Lokalisierungsvermögen VSB Mittelohrimplantat vs. KL-Implantat

Lokalisierungsvermögen bilateraler VSB Nutzer (links) im Vergleich zu bilateralen KL-Implantat-Nutzern (rechts)

Der Vergleich förderte signifikante Unterschiede zutage:

  • Mit den VIBRANT SOUNDBRIDGE Mittelohrimplantaten war die Lokalisierungsfähigkeit deutlich besser als mit den Knochenleitungsimplantaten.
  • Die Knochenleitungsimplantate ermöglichten lediglich eine Lateralisation, die Mittelohrimplantate dagegen eine echte Lokalisation.
  • Personen mit zwei Mittelohrimplantaten konnten sogar sehr leise Töne korrekt lokalisieren. Sie erreichten ähnlich gute Resultate wie normalhörende Personen.

Agterberg et al. führen das signifikant bessere Lokalisierungsvermögen der Mittelohrimplantat-Gruppe darauf zurück, dass das Mittelohrimplantat im Gegensatz zum KL-Implantat direkt an der Ossikelkette bzw. am runden Fenster angebracht ist und somit ausschließlich die jeweilige Cochlea stimuliert.Agterberg et al. (2024): The Merits of Bilateral Application of Middle Ear Implants in Patients With Bilateral Conductive and/or Mixed Hearing Loss, Trends in Hearing 28:1-10, https://doi.org/10.1177/23312165241264466.[3]

KL-Implantat & Mittelohrimplantat: Beides ist wichtig

Die vorliegenden Studien zeigen, dass Knochenleitungsimplantate eine effiziente Behandlung für Menschen mit kombinierter Schwerhörigkeit bieten können, ab einem bestimmten Grad des Hörverlusts aber an Grenzen stoßen. In solchen Fällen ist die VIBRANT SOUNDBRIDGE aus audiologischer Sicht die bessere Lösung, da sie nicht nur kraftvoll ist, sondern die generierte Vibration gezielt und unmittelbar auf das Innenohr übertragen kann, ohne die Hörqualität durch Feedback, Verzerrung oder Übersprechen zu beeinträchtigen. Personen mit präoperativen Knochenleitungsschwellen von 35 dB oder schlechter profitieren von der VIBRANT SOUNDBRIDGE stärker als von Knochenleitungsimplantaten, was sich beispielsweise in einem besseren postoperativen Sprachverstehen niederschlägt.

Der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle erwähnt, dass die Selektion eines Implantats nicht nur auf audiologischen Parametern basiert und es daher gute Gründe geben kann, Personen mit Knochenleitungsschwellen schlechter als 35 dB mit einem KL-Implantat zu versorgen.

Ein breites Produktportfolio, das möglichst allen Patient*innen mit ihren individuellen Voraussetzungen und Bedürfnissen gerecht wird, sollte sowohl Knochenleitungs- als auch Mittelohrimplantat-Systeme enthalten.

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